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[ Aktuell ]

11.07.2013
"Mellow Melange steckt Publikum in die Tasche" (Ostfriesische Nachrichten)
Bericht von unserem Konzert am 9. Juli 2013 in der Kirche in Holtrop

Musikalischer Sommer: Geschichten über Handtaschen zwischen Chanson, Jazz, Swing und Folk - "Pop-Band mit Blockflöte"

Holtrop. Die Handtasche einer Frau ist ein gefürchtetes Bermudadreieck für Krimskrams, aber auch ein Schatzkästchen für das Strandgut eines Lebens. Wenn Frauen sich in ihrem ganz persönlichen Schrein auf die Suche machen, wirkt das nicht selten wie die Südamerikaexpedition von Alexander von Humboldt. Allein - Berichte oder Zeichnungen dieser Entdeckungsreisen sind bislang selten entstanden.

Diese Lücke zu füllen, den botanischen und ethnologischen Grund einer solchen Handtasche auszuloten hat sich nun die Band Mellow Melange zur Aufgabe gemacht. Am Dienstag traten die fünf Musiker und ihr diesmal als Tontechniker eingesetzter erkrankter Pianist Michael Berger im Rahmen des Musikalischen Sommers in der Kirche Holtrop auf. Diese platzte zu Beginn fast aus den Nähten, aber gleichsam wie in einer Handtasche fügte sich alles, die kleinsten Lücken wurden noch genutzt.

Was Mellow Melange aus der Handtasche zog, entsprach dem Erwartbaren. Parfum, ein Ausweis, ein Foto, eine alte Postkarte, ein Spiegel, Lippenstift. Bis dahin kaum Überraschungen. Was diese Gegenstände dann jedoch besonders macht, sind die Erinnerungen, Pläne und kleinen Gewohnheiten, die all diesen Dingen anhaften. Und die sehen in jeder Handtasche anders aus. Die Muschel, die an die Ebbe einer Liebe zurückdenken lässt. Der Abschiedsbrief, der Fragen aufwirft und Wunden offen hält. Der einzelne schlosslose Schlüssel, "deep down inside", als Symbol für vertane Chancen. Das alles ist von süßer Melancholie gekennzeichnet. Doch es gibt auch das Neue. Das "Parfum", der einzige Song des Abends auf Deutsch und die erste Mellow Melange Komposition von Saxofonist Matthias Schinkopf, brachte duftige Lebensfreude. Chanson in der Herznote, Swing in der Basisnote, und eine ganze Reihe von Kopfnoten bis hin zum Rap: Dieses Eau de la Musique verhalf allen Instrumenten zu voller Geltung. Auch der "Lipstick" spricht eher von Plänen als von Vergangenem und swingt und jazzt so, dass man Lust aufs Ausgehen bekommt.

Das Geheimnis der "Melange": Unterschiedliche Musikstile werden kombiniert, die Musiker glänzen an verschiedenen Instrumenten. Der Mellow-Melange-Komponist Ingo Höricht wechselt zwischen Geige, Bratsche und Gitarre, aber nicht nur das. Auch an den Instrumenten selbst ist er erfinderisch, horcht ihnen zarteste und ungewöhnliche Töne ab. Genauso "Multi" ist Saxofonist Matthias Schinkopf, gleichermaßen versiert an Saxofon und Klarinette, wie an allerlei Schlagwerk. Er kann beide Instrumentengruppen im selben Stück beackern, mal fliegen die Finger über die Klappen des Saxofons, dann ergreifen sie fast übergangslos die Besen des Schlagzeugs. David Jehn zeigt sich ebenfalls vielzeitig. Der Kontrabassist sorgt nicht nur für den nötigen Groove, er singt auch noch Titel mit Frontfrau Sonja Firker im Wechsel oder im Duett. Und falls Percussion gebraucht wird, wenn Schinkopf gerade seine Akzente mit den Blasinstrumenten setzt, dann ist eben der Bass dran. Sonja Firker wiederum moderiert, zieht die kleinen Gegenstände aus der Handtasche, singt die meisten Stücke und spielt zwischendurch noch Geige oder - Blockflöte! Eigens für sie wurde ein Instrumentalstück komponiert, wo sie dieses Instrument einsetzen kann. Im entferntesten Sinne habe sich Mellow Melange immer als eine Pop-Band verstanden, sagte Höricht - definitiv ohne Blockflöte. Aber auf besonderen Wunsch von Firker hat er es geschaft, eijn Stück für dieses schlichte Instrument zu komponieren, das den schubladensprengenden und doch unverwechselbaren Sound von Mellow Melange aufnimmt.

Sehr persönlich wird der Abend bei dem Foto, das Firker aus der Handtasche zieht. Auf ihm ihre junge, hoffnungsfrohe Mutter. Der Rückblick auf das Leben, die lächelnde Frau, die immer für ihre Träume kämpft, zeigt eine wilde ungezügelte Ader, die Mutter Firker wohl an ihre Tochter vererbt hat. So kommt jeder aus der Melange mal zu seinem großen Auftritt. Pianist Hans-Jürgen Osmers hat seinen bei "C'était ca ou rien", Firker nennt ihn danach den "Wüstensohn", denn er hat die Zuhörer in einen orientalischen Rausch versetzt.

Zum Abschluss gab es noch ein Klarinettensolo, das nicht nur Schinkopf atemlos machte. Möglicherweise hörte man in Holtrop dieses Jahr den längsten Klarinettenton in der Geschichte des Musikalischen Sommers. Vom Rest des Solos mal abgesehen. Danach wurde die "Handbag" wieder eingepackt und zugeklappt. Der Blick hinein hatte viele Entdeckungen hervorgezaubert. Und es war verdammt viel Musik in der kleinen Tasche gewesen. (Karin Baumann)


 
 
Letzte Aktualisierung:
Oktober 2023

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