DIE LIEBENDEN

DIE LIEBENDEN

Sieh jene Kraniche in weitem Bogen.
Die Wolken, welche ihnen beigegeben,
zogen mit ihnen schon, als sie entflogen
von einem Leben in ein anderes Leben.
In gleicher Höhe und mit gleicher Eile
scheinen sie nah bei 'nander für eine Weile.

Dass so der Kranich mit der Wolke teile
den blauen Himmel, den sie kurz befliegen.
Dass aber keines länger hier verweile
und keines an'dres sehe als das Wiegen
des Andern in dem Wind, den beide spüren,
die jetzt im Fluge beieinander liegen.

So mag der Wind sie in das Nichts entführen,
wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben.
So lange kann sie beide nichts berühren.
So lange kann man sie
von jedem Ort vertreiben,
wo Regen drohen oder Schüsse schallen
so unter Sonn' und Mond's
wenig verschied'nen Scheiben.

Fliegen sie hin einander ganz verfallen.
Wohin Ihr? - Nirgends hin.
Vor wem davon? - Vor allen.
Ihr fragt:
Wie lange sind sie schon beisammen?
Seit kurzem. -
Und wann werden sie sich trennen? - Bald.
So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.

Text: Bertold Brecht

Aus dem Album "Mondschatten" von Mellow Melange