"Jede Frau wirft einem einen unbehaglichen Blick zu, wenn man in ihre heiligen Gemächer zu schielen versucht. Ein Kavalier sollte deswegen immer taktvoll wegsehen, wenn seine Begleiterin ihre Handtasche öffnet." (New York Times, 1945) Gut. In diesem Fall sei das Wegschauen akzeptiert. Wir verstehen ...
Aber - Gedanken darf man sich machen. Träumen und Fantasieren ist immer erlaubt. Denn wir ahnen: Jeder dieser Gegenstände im Dunkel solcher tiefgründigen Taschen hat seine Geschichte zu erzählen.
Da gibt es – wie könnte es anders sein - den Lippenstift. Tiefrot wie das wallende Blut derer, die er zu verführen gedenkt. Das Handy, in das frau dieselben Oberflächlichkeiten und Platitüden hinein spricht, die man(n) am anderen Ende erwidert. Da wartet der Federhalter, der alles schreibt, wirklich alles, hemmungslos verurteilt oder aber frei spricht und sich gewissenlos von jeder x-beliebigen Hand führen lässt. Es gibt den Spiegel, der sehr viel mehr zeigt, als einem lieb ist, den Ausweis, der uns zu einer Nummer unter vielen macht und die Muschel, die an verpasste Chancen erinnert. Und es gibt das Foto der Mutter, bei dessen Anblick deutlich wird, dass es Menschen gibt, die uns nah waren und die wir dennoch nie gekannt haben. Und, oh ja, es gibt eine übrig gebliebene Tablette, eines jener wirklich bösen Dinge, mit denen man den Liebsten auf ewig schlafen legt. Aus Hass, Missgunst oder Eifersucht ...
Wir lieben Geschichten. Lustige. Traurige. Böse. Anrührende. Seltsame. Verrückte. Gruselige. Geschichten eben.
Und wir lieben auch Musik. Musik und Gefühle. Musik und Geschichten.
Es gibt viele Gefühle und viele Geschichten. Und es gibt nicht wenige musikalische Stilrichtungen. Mellow Melange – dieser Name ist Programm und die Zutaten dieses Live-Programms (und Albums) der Band sind einmal mehr so vielfältig, wie das Wort „mellow“ Bedeutungen hat: freundlich, heiter, lieblich, locker, reif, sanft, weich. Oder doch eher mürbe, saftig oder gar benebelt? Auf jeden Fall eingängig, berührend und gleichzeitig anspruchsvoll, spannend und raffiniert, Musik für Kopf, Herz und Sinne. Ist es Jazz oder Pop? Folk oder Chanson? Musical oder gar klassische Kammermusik?
Die Band selbst hat schon lange aufgehört, verbale Antworten auf solche Fragen zu geben und macht stattdessen Musik. Es wird gebluest, gejazzt, gerockt, gefolkt, gesungen, gespielt und erzählt, dass es eine wahre Freude ist zuzuhören und man sich fragt, ob es sich um eine gewöhnliche Handtasche oder doch eher um den Zauberzylinder eines Magiers handelt. Als wäre der Zugang zu jedem Gegenstand, der aus dieser Handtasche gezogen wird, nur mit einem ganz individuellen und immer wieder anderen Notenschlüssel möglich, mit Musik und Text wie zwei Folien, die übereinander gelegt ein überraschend stimmiges Bild ergeben.
Guter Stoff! Herrliches Futter! Edle Verarbeitung! Chapeau!
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