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23.12.2008
Brecht Vertonungen von Ingo Höricht in Frankfurter Theater
Am 31.12.2008 wird das Stück "36,9 Grad - Von Liebe und Grausamkeit" mit Musik von Weill, Dessau und Höricht noch einmal aufgeführt


Rhein-Main.Net-Kritik zu «36,9° – Brecht. Houellebecq.» 36,9 Grad – Von Liebe und Grausamkeit Florian Gürtler Das «Theater Willy Praml» bringt mit «36,9° – Brecht. Houellebecq.» ein bemerkenswertes Programm auf die Bühne. Die musikalische Lesung konfrontiert und kombiniert Bertolt Brechts Liebeslider mit Auszügen aus Michel Houellebecqs Roman «Ausweitung der Kampfzone». In «36,9 Grad» wird der Vorraum der Naxoshalle unweit des Frankfurter Zoos zum Spielort. Die Zuschauer sitzen gedrängt im Kreis, in ihrer Mitte sitzen die Musiker Vassily Dück und Gregor Praml, sie spielen Bajan (Akkordeon) und Bass. Unter den Zuschauern, in der ersten Reihe, sitzen die Schauspieler Reinhold Behling, Gabriele Maria Graf, Birgit Heuser, Tim Stegmann und Michael Weber. Sie wechseln sich ab, Behling und Weber lesen aus Houellebecqs Roman, die drei anderen singen Brechts Liebeslieder, begleitet von Bajan und Bass. Brecht, verstorben im August 1956, und Houellebecq, ein Autor unserer Gegenwart, sind sich hier scheinbar zunächst sehr nahe. Beide reden über Liebe und Sex und über die zwischenmenschlichen Grausamkeiten, die damit einhergehen. Brecht besingt in seiner «Ballade von der sexuellen Hörigkeit» oder im «Barbara-Song», hier mit wahrer Inbrunst gesungen von Gabriele Maria Graf, diesen Themenkomplex jedoch mit einer herzlichen, anteilnehmenden Ironie. Der Schmerz der Einsamkeit hat hier nichts «Böses» an sich. Unterstrichen wird dies noch durch die äußerst lebendige Musik von Kurt Weill, Ingo Höricht und Paul Dessau. Wenn Houellebecqs namenloser Icherzähler, brillant süffisant gelesen von Michael Weber, jedoch über Liebe, Sex und Einsamkeit spricht, dann ist dies die zynisch gemeinte Bestandsaufnahme unserer Jetzt-Gesellschaft. Einsamkeit hat hier nichts verspieltes, mit ihr wird nicht kokettiert, sie ist Ausdruck eines Gnadenlosen Verteilungskampfes. Dass man über Houellebecqs Icherzähler und seine schonungslos-zynischen Betrachtungen noch lachen kann ist eine Rettung, könnte man dies nicht, müsste man weinen. Willy Praml zeigt mit dieser Inszenierung, wie nah, wie ähnlich und zugleich doch verschieden die Zeit Brechts zu Houellebecqs, also unserer eigenen Zeit ist. Durch die Gegenüberstellung dieser beiden Autoren macht er die Schonungslosigkeit unserer Jetzt-Gesellschaft umso deutlicher.



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